Weil meine Eltern um die Welt reisen wollten, kam ich ins Heim

Ich bin im Heim aufgewachsen, weil meine Eltern mich als Kind mit 10 Jahren verlassen haben. Sie wollten sich selbst verwirklichen und um die Welt reisen. Sie haben mir immer gesagt, dass sie mich lieben und dass sie bald zurückkommen würden. Aber das war eine Lüge. Sie haben mich nie wieder besucht oder angerufen. Sie haben mich einfach vergessen. Ab und zu kam ein Brief von irgendwo auf der Welt – aber ihre Reise schien kein Ende nehmen zu wollen. Irgendwann sind sie dann doch sesshaft geworden in Südamerika.

Heute bin ich 45 Jahre alt und habe selbst vier Kinder. Ich liebe sie über alles und würde sie niemals im Stich lassen. Ich möchte ihnen alles geben, was ich nie hatte: Liebe, Geborgenheit, Vertrauen, Respekt. Ich bin sehr stolz auf meine Kinder und wie sie sich entwickeln. Sie sind mein Lebenssinn und meine größte Freude.

Ich habe auch den Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen – obwohl sie meine Adresse haben und ich ihre, weil wir sie vor vielen Jahren ausgetauscht hatten. Das ist so ziemlich das einzige, was wir voneinander wissen – und das ist auch gut so. Sie haben sich vor ein paar Jahren bei mir gemeldet und wollten mich wiedersehen. Sie haben gesagt, dass sie bereuen, was sie getan haben und dass sie mich immer noch lieben. Aber ich konnte ihnen nicht verzeihen. Sie haben mir so wehgetan und mir so viel genommen. Sie sind für mich keine Eltern mehr, sondern Fremde.

Letzte Woche habe ich eine Einladung bekommen zum 70. Geburtstag meines Vaters. Er ist schwer krank und will sich mit mir versöhnen – und sieht jetzt eine gute und letzte Gelegenheit dazu. Er schrieb mir, dass er gerne meinen Mann und meine Kinder kennenlernen würde. Heute wohnen meine Eltern in Brasilien, ich in Deutschland. Er bot mir an, die Reisekosten zu übernehmen, wenn ich mit meiner Familie kommen würde.

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