Ich bin eine Frau, die gelernt hat, stark und selbstständig zu sein: Das haben mir meine Eltern schon früh beigebracht. Mit diesem Glaubenssatz haben sie mich sozusagen großgezogen: Sie sagten mir immer, ich solle mein eigenes Geld verdienen, eine gute Ausbildung machen und mich nicht von anderen abhängig machen.
Ich habe das befolgt und bin stolz auf meinen beruflichen Erfolg. Aber ich habe auch einen hohen Preis dafür bezahlt: Ich habe mich von meinem Vater entfremdet, der meine Karriere nicht akzeptieren konnte. Nach seinem Willen wäre ich Chef-Ärztin geworden statt Managerin. Er wollte, dass ich im Krankenhaus Karriere mache und eine erfolgreiche Chirurgin werde, mit der er vor seinen Freunden prahlen kann – er selbst ist auch Chirurg.
Aber, in seine Fußstapfen treten wollte ich nicht. Er hat mich nie verstanden oder unterstützt. Er hat mich oft kritisiert und enttäuscht während meiner beruflichen Entwicklung. Ich habe mich von ihm zurückgezogen und eine Mauer um mich errichtet.
Ich habe auch Schwierigkeiten, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und „echte“ Freunde zu finden, weil niemandem so richtig traue und Angst habe, verletzt zu werden. Ich kann schlecht um Hilfe bitten oder Hilfe annehmen, weil ich denke, dass ich alles alleine schaffen muss: Ich will nicht schwach oder bedürftig erscheinen. Und noch viel schlimmer: Ich will nicht bei anderen in der Schuld stehen und ihnen einen Gefallen schuldig sein. Selbst meine Eltern frage ich nicht um Hilfe oder Rat – so tief sitzt der Glaubenssatz aus meiner Kindheit in mir fest – unglaublich!