Seit ich denken kann, wollte ich Lehrerin werden. Es klang so wunderbar: Kinder und Jugendliche inspirieren, sie beim Lernen begleiten, ihnen das Leben ein Stück leichter machen. Aber wenn ich ehrlich bin, fühlt es sich seit Jahren eher so an, als würde ich kämpfen. Nicht um meinen Job – den habe ich ja sicher – sondern um mich selbst. Und ich verliere.
Die Schüler in meinen Klassen spüren es. Wenn ich vor ihnen stehe, mit einem freundlichen Lächeln und der Bitte, sich zu beruhigen, lachen sie einfach. Sie ignorieren mich oder provozieren weiter. „Ach, Frau M., das ist doch nicht so schlimm, machen Sie mal nicht so einen Stress,“ heißt es dann, wenn ich eine klare Regel durchsetzen will. Was mache ich? Ich lasse es durchgehen. Innerlich koche ich, aber nach außen bleibe ich freundlich – oder besser gesagt, weich.
Dann die Eltern. Manche schicken dreise E-Mails mitten in der Nacht oder stellen mich im Gespräch vor ihren Kindern bloß. Und mein Schulleiter? Der macht es auch nicht besser. Kritikgespräche führen bei ihm selten zu Verbesserungen. Stattdessen höre ich: „Vielleicht fehlt es Ihnen ja ein wenig an Durchsetzungsvermögen? Da könnten Sie sich mal ein Beispiel an Ihrem Mann nehmen.“
Das sitzt. Mein Mann, auch Lehrer, das Gegenteil von mir: ruhig, souverän, unerschütterlich. Wenn ich nach einem harten Tag abends nach Hause komme und mich bei ihm ausheule, sagt er nur: „Du musst die Schüler strenger rannehmen. Die merken doch, dass sie bei dir alles dürfen.“ Ich nicke dann, aber innerlich denke ich: Wie soll ich das machen? Mir fehlt die Kraft, die Klarheit, und wenn ich ehrlich bin, auch der Mut.