Ich traue mich nicht, mein wahres Ich zu zeigen und preiszugeben

Es hat eigentlich schon in der Uni angefangen. Damals war ich noch richtig voller Ideen, irgendwie wild und kreativ, aber auch total unsicher. Ich habe immer versucht, bloß nicht aus der Reihe zu tanzen, damit mich keiner schräg anschaut. Als ich dann meinen Abschluss gemacht hatte, schien der Job in der großen Firma der nächste logische Schritt zu sein. Sicher, gut bezahlt, angesehen – so, wie man es halt „machen sollte“. Aber ich hatte damals schon dieses komische Gefühl im Bauch, dass das eigentlich nicht mein Weg ist. Trotzdem dachte ich: „Komm, das ist vernünftig, das gehört sich so.“ Also habe ich den Vertrag unterschrieben und bin eingestiegen.

Zuerst war ich stolz, klar, es war eine große Sache. Aber schnell merkte ich, wie ich immer mehr in eine Rolle schlüpfen musste, die eigentlich nicht meine war. Ich habe plötzlich Anzüge getragen, Meetings mitgemacht, in denen ich Dinge gesagt habe, die ich eigentlich gar nicht so meinte, nur um dazuzugehören. Der Druck, perfekt und angepasst zu sein, war riesig.

Aber der Wendepunkt kam vor ein paar Monaten, als mich eine Kollegin beim Mittagessen fragte: „Was machst du eigentlich gern in deiner Freizeit?“ Und weißt du, ich hatte keine Antwort. Nicht, weil ich nichts gern mache, sondern weil ich mich gar nicht mehr getraut habe, über die Sachen zu sprechen, die mich wirklich ausmachen. Ich dachte nur: „Wenn ich ihr jetzt sage, dass ich eigentlich gern Kunst mache und heimlich Gedichte schreibe, hält sie mich bestimmt für total schräg.“ Da habe ich gemerkt, wie weit weg ich von mir selbst bin.

Ich verliere oft den Überblick, da ich Aufgaben vor mir herschiebe

Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll – mein Kiosk läuft gut, da will ich mich nicht beschweren. Aber es ist eben ein Vollzeitding, von morgens früh bis abends spät. Dann ist da noch meine Familie – meine Frau, die bei der Post arbeitet, und unsere zwei Kinder, fünf und sieben Jahre alt. Ich will für alle da sein, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich nie genug Zeit habe. Und genau deswegen schiebe ich kleine Sachen ständig vor mir her, bis sie mir irgendwann auf den Kopf fallen.

Neulich ist mal wieder so ein typischer Tag, an dem alles drunter und drüber ging. Morgens habe ich schnell die Kinder in die Schule und in den Kindergarten gebracht – alles zwischen Tür und Angel, weil ich noch den Laden aufschließen musste. Dabei fiel mir ein, dass ich seit einer Woche die Getränkebestellung nicht gemacht hatte. Und klar, genau an diesem Tag wollte ein Stammkunde drei Kästen Wasser kaufen. Ich musste ihn vertrösten, was mich innerlich genervt hat, weil ich wusste: Das liegt an mir.

Nachmittags rief dann die Versicherung an, um mich an die ausstehende Zahlung zu erinnern. Ich hatte die Rechnung vor Wochen im Briefkasten, aber nie das Geld überwiesen. Und dann noch der Klassiker: Die Steuerunterlagen stapeln sich seit drei Monaten auf dem Schreibtisch im Büro, und meine Frau hat mich schon fünfmal daran erinnert, die endlich fertig zu machen. Aber sobald ich zuhause bin, will ich ehrlich gesagt nichts mehr davon hören.

Weil mich andere kritisieren, verliere ich stark an Selbstvertrauen

Wenn ich ehrlich bin, dachte ich lange, ich hätte ein ziemlich dickes Fell. Kritik? Klar, gehört dazu, vor allem in meinem Job. Aber in letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass jede noch so kleine Bemerkung mich wie ein Schlag trifft. Und es ist nicht mal die harsche Kritik, die mich runterzieht – es sind diese subtilen Kommentare, die mich innerlich zerreißen.

Letzte Woche hatte ich so einen Moment, der mir einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Ich hatte für einen großen Kunden ein Konzept erstellt, auf das ich wirklich stolz war. Es war frisch, kreativ und genau das, was der Kunde wollte – dachte ich zumindest. Als ich es dann in der Besprechung präsentiert habe, meinte mein Kollege: „Ja, sieht gut aus, aber ich finde, das ist so … naja, ein bisschen Standard. Vielleicht könntest du dir noch was Originelleres überlegen?“ Dabei hat er so gelächelt, als wäre es wirklich nur ein gut gemeinter Vorschlag. Aber ich habe gemerkt, wie mein Chef leicht die Augenbrauen hochgezogen hat, und plötzlich hatte ich das Gefühl, alles in meinem Kopf ist wie ausgelöscht. Standard? Echt jetzt?

Ich habe danach die ganze Nacht nicht geschlafen, mir immer wieder diese Worte durch den Kopf gehen lassen: „Standard.“ Dabei hat niemand sonst was gesagt. Ich weiß, es sollte mich nicht so mitnehmen, aber es fühlt sich an, als ob mein ganzes Können infrage gestellt wurde.

Bin frustriert von Dating-Apps, verliere die Lust an Partnersuche

Es fing ja ganz harmlos an. „Lad dir mal diese App runter, das macht total Spaß“, haben meine Freundinnen gesagt. Und klar, am Anfang war’s auch irgendwie aufregend. Ein Wisch hier, ein Match da, kleine Nachrichten, die mir ein Kribbeln im Bauch beschert haben. Aber je länger ich dabei bin, desto mehr frage ich mich: Was mache ich hier eigentlich?

Letzte Woche hatte ich wieder so ein Date. Der Typ sah auf den Bildern nett aus, hatte auch einen lustigen Spruch in seiner Bio: „Ich bringe dich zum Lachen – oder zumindest zum Kopfschütteln.“ Dachte ich, klingt gut, Humor ist wichtig. Wir haben uns in einem Café getroffen, und schon nach fünf Minuten war klar, das wird nichts. Er hat fast nur von sich geredet – seine Arbeit, sein Fitnessstudio, seine Exfreundinnen. Ich hab mich irgendwann gefragt, ob ich nur als Zuhörerin eingeplant war. Als ich dann nach meinem dritten Cappuccino meine Sachen gepackt habe, hat er noch gefragt: „War doch nett, oder? Treffen wir uns wieder?“ Nett? Das war maximal so spannend wie die Bedienungsanleitung von einem Toaster.

Das war jetzt nicht das erste Mal, dass ich mit so einem Gefühl nach Hause gegangen bin. Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass viele Typen auf diesen Apps gar nicht wirklich jemanden kennenlernen wollen. Es geht nur um die Bestätigung. Match, Match, Match – wie so ein Computerspiel. Aber ich will doch was Echtes. Jemanden, der mich wirklich versteht, der auch mal zuhört, der nicht nur von sich selbst redet. Gibt’s das überhaupt noch?

Unsere Eltern haben meine Schwester bei allem stets bevorzugt

Ich bin Grundschullehrer, verheiratet, und wir haben einen zweijährigen Sohn. Eigentlich sollte mein Leben doch passen, oder? Aber da ist diese Sache, die mich seit meiner Kindheit verfolgt und auch heute noch belastet: Meine Eltern haben immer meine Schwester bevorzugt. Sie ist zwei Jahre jünger als ich, charmant, klug, und irgendwie hatte sie schon als Kind diesen Zauber um sich, der alle in den Bann gezogen hat. Ich hingegen war immer eher der ruhige, verlässliche Typ, der seine Hausaufgaben machte, sich an Regeln hielt, aber selten auffiel.

Es fing schon in der Grundschule an. Wenn meine Schwester nach Hause kam und ein Bild gemalt hatte, hingen meine Eltern es sofort an den Kühlschrank, lobten sie in den Himmel. Ich? Ich brachte eine Eins in Mathe mit, und das wurde mit einem kurzen „Gut gemacht“ abgetan. Kein Kühlschrank, keine große Sache. Später, als wir älter wurden, ging es weiter. Meine Schwester wollte Geige spielen – sie bekam Privatunterricht. Ich wollte Fußball spielen – ich bekam das gebrauchteste Paar Fußballschuhe, das sie auftreiben konnten. Es tat damals schon weh, aber ich habe versucht, das zu ignorieren.

Doch jetzt, mit 34, merke ich, wie tief das alles sitzt. Vor kurzem hatte mein Vater Geburtstag. Wir saßen alle zusammen, und wieder mal war meine Schwester das Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie erzählte von ihrem neuen Job, ihren Reisen, und meine Eltern waren voll dabei. Ich habe über eine Auszeichnung gesprochen, die ich für ein Schulprojekt bekommen habe, aber es war, als hätte ich nichts gesagt. Nach zwei Minuten war das Thema erledigt. Ich saß da, lächelte, aber innerlich zog sich alles zusammen.

Ich will meine Eltern lieben, aber alte Verletzungen hindern mich

Ich arbeite in einer Hilfeeinrichtung für Jugendliche, und mein Alltag dreht sich darum, anderen zu helfen, ihre Wunden zu heilen. Irgendwie absurd, wenn man bedenkt, wie oft ich selbst an meinen eigenen festhänge. Ich lebe allein, nicht aus Überzeugung, sondern weil ich es irgendwie nie schaffe, eine Beziehung aufzubauen, die nicht an meinem „Gepäck“ scheitert. Kinder habe ich keine, aber ich bin Onkel – der „coole“ Onkel, der immer Zeit hat.

Die Situation, die mich jetzt beschäftigt, war vor drei Wochen. Meine Mutter hatte Geburtstag. Ich hab die typische Floskelkarte gekauft – „Für die beste Mama der Welt“. Ein Satz, der mir beim Schreiben wie ein Stein im Hals saß. Ich bin hingefahren, Kuchenessen mit der Familie. Mein Vater, wie immer, am Kopf des Tisches, macht seine zynischen Witze. Meine Mutter, freundlich lächelnd, serviert Kaffee und Kuchen, während sie sich selbst wieder mal nichts gönnt. Und ich? Ich saß da und fühlte mich wie ein Fremder.

Die alte Spannung zwischen uns lag in der Luft. Als die Gespräche auf Erfolge und Leistungen kamen – das Lieblingsthema meines Vaters – fiel ein Satz, der wie ein Stich war: „Du hättest halt auch mal Anwalt werden sollen, so wie dein Cousin. Dann hättest du’s leichter im Leben.“ Alle lachten. Ich auch, aus Reflex. Aber in mir brodelte es.

Nach dem Essen standen wir draußen, meine Mutter und ich. Ich wollte ihr einfach nur sagen: „Es tut mir leid, dass ich dich nie so lieben konnte, wie du es dir gewünscht hast.“ Aber die Worte blieben stecken. Stattdessen fragte ich sie, ob sie mit den Rosen im Garten klarkommt, ob sie Hilfe braucht. Eine typische Ablenkung.

Die Beziehung zwischen uns Geschwistern löst sich immer mehr

Ich bin Lehrerin an einer Grundschule, verheiratet und habe zwei Kinder. Mein Bruder ist ein Freigeist, wie man so sagt. Er ist vor zehn Jahren nach Australien ausgewandert und lebt seither in einem umgebauten Van, reist von Ort zu Ort, arbeitet mal als Tauchlehrer, mal als Surflehrer – was halt gerade ansteht. Wir könnten nicht unterschiedlicher sein. Ich habe immer Sicherheit gebraucht, eine klare Struktur. Daniel, der ist das komplette Gegenteil.

Das Problem ist, dass wir uns seit Jahren voneinander entfremdet haben. Früher waren wir unzertrennlich, haben als Kinder ständig zusammen gespielt, unsere Geheimnisse geteilt. Aber jetzt? Wenn wir reden, sind das oberflächliche Gespräche, und oft endet es in gegenseitigen Vorwürfen. Ich werfe ihm vor, er sei verantwortungslos, er sagt, ich sei spießig und hätte „mein Feuer verloren“. Der Tiefpunkt war unser letztes Telefonat. Ich wollte über den Geburtstag unserer Mutter sprechen, fragte, ob er vielleicht mal nach Deutschland kommen könnte. Seine Antwort? „Wieso, du hast doch alles im Griff.“ Das hat mich echt getroffen.

Mir fehlen Freunde, um wichtige Entscheidungen zu besprechen

Ich arbeite seit 8 Jahren als selbstständiger Markenentwickler und lebe in einer kleinen Wohnung am Stadtrand. Es ist keine schlechte Gegend, aber auch nicht die, wo du sagst: „Hier will ich bleiben.“ In den letzten Monaten habe ich immer wieder an einen Jobwechsel gedacht – nicht, weil ich keine Aufträge bekomme, sondern weil ich merke, dass ich mich leer fühle. Es gibt Tage, da sitze ich bis spät nachts an Projekten, die mir eigentlich mal Spaß gemacht haben, aber jetzt nur noch wie ein Pflichtprogramm wirken.

Vor ein paar Wochen habe ich eine Anfrage bekommen – eine feste Stelle bei einer Agentur, die sich auf nachhaltige Marken spezialisiert hat. Sie haben mir sogar ein hybrides Modell angeboten, also ein paar Tage im Büro, den Rest von zu Hause. Es klingt nach einem Traumjob, wenn du mal die Basics anschaust: stabiles Einkommen, kreative Projekte, ein cooles Team. Aber hier liegt das Problem: Ich weiß nicht, was ich tun soll.

Normalerweise würde ich solche Entscheidungen mit jemandem besprechen. Früher hätte ich vielleicht meine beste Freundin angerufen oder mit einem Kollegen darüber gesprochen. Aber in den letzten Jahren sind diese Beziehungen irgendwie verblasst. Die meisten Leute aus meiner Studienzeit sind weggezogen, und ehrlich gesagt, habe ich auch nicht viel dafür getan, den Kontakt zu halten. Mein Alltag hat sich still und heimlich in eine Routine verwandelt, in der ich die meiste Zeit mit mir selbst verbringe.

Ich will einen Partner finden, habe aber Angst vor Zurückweisung

Also, ich bin 34, arbeite als Werbetexterin in einer kleinen Agentur in der Innenstadt. Ledig, keine Kinder, aber mit einem Freundeskreis, der langsam in die „Haus, Kinder, Hund“-Phase eintritt. Während ich mich immer noch frage, ob ich überhaupt mal jemanden finde, mit dem das alles klappt.

Vor zwei Wochen habe ich auf einer Dating-App jemanden kennengelernt. Ein sympathischer Typ, humorvoll, und wir haben von Anfang an gut geschrieben. Das ging fast jeden Tag so: Morgens ein „Guten Morgen“, abends witzige Memes, zwischendurch tiefere Gespräche über alles Mögliche – von den besten Filmen der 90er bis zu unseren Kindheitsträumen. Ehrlich gesagt, hab ich ein richtig gutes Gefühl bei ihm.

Aber jetzt, wo es darum geht, den nächsten Schritt zu machen – also ein Treffen vorzuschlagen –, sitze ich hier wie versteinert. Jedes Mal, wenn ich mein Handy nehme, um ihm zu schreiben, höre ich diese innere Stimme: „Was, wenn er Nein sagt? Was, wenn er plötzlich das Interesse verliert?“

Ich habe nach der Kündigung Angst um meine finanzielle Situation

Ich habe fast zwei Jahrzehnte bei einem Autozulieferer gearbeitet, meistens im Projektmanagement. Mein Job war stressig, aber ich war gut darin. Dann, letztes Jahr, kam die Kündigung. Einsparungen. Ausgerechnet ich. Plötzlich war ich nicht mehr die Hauptverdienerin, sondern die, die schauen musste, wie sie irgendwie die Miete zahlt.

Zuerst dachte ich, das wäre nur eine Übergangsphase. Ich habe mich auf unzählige Stellen beworben, aber immer wieder kamen Absagen oder Angebote für befristete Teilzeitverträge. Mit diesen konnte ich gerade mal die wichtigsten Rechnungen bezahlen – aber das große Loch in meinem Budget? Keine Chance, das zu stopfen. Irgendwann saß ich abends vor meinem Laptop, ein Stapel unbezahlter Rechnungen neben mir, und dachte: Wie soll das hier eigentlich weitergehen?

Es hat sich dann alles geändert, als Jonas eines Nachmittags kam und sagte, er brauche 20 Euro für einen Schulausflug. Ich hatte nur noch 15 Euro im Portemonnaie und wusste nicht, wie ich das hinkriegen sollte. In diesem Moment fühlte ich mich komplett überfordert – eine Mischung aus Schuld, Scham und diesem lähmenden Gefühl, die Kontrolle zu verlieren.

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